Hochzeitsfotos:
Fast alle verheirateten Paare besitzen ein
Hochzeitsfoto. Es hängt an der Wand, manchmal steht es hübsch eingerahmt
an einem ausgewählten Platz oder klebt in einem Album. Bei
Hochzeitsfotos des frühen 20. Jahrhunderts scheint es, als hätten
die Hochzeitspaare die Luft angehalten, da sie so ernsthaft 'dreinschauen.
Das Verlobungsfoto meiner Eltern aus dem Jahre 1937 zeigt sie dagegen
lächelnd. Sie schickten es nach London, an Sir Richard Stafford
Cripps, um durch eventuelle „Familienbande“ eine Einreise nach
Großbritannien zu erbitten und erhielten es zurück mit dem Vermerk:
„Sorry, we can’t help.“
Ein Hochzeitsfoto ihrer Eheschließung aus
dem Jahre 1938, existiert nicht.
Auch
von meiner Eheschließung gibt es leider kein Hochzeitsfoto, sondern nur
ein farbiges Diapositiv, von dem ich mir neulich ein Papierbild
anfertigen ließ. Es zeigt Peter und mich im Jahre 1961 zusammen mit
unserem damals 16-jährigen Dolmetscher Andrej und einer Trauzeugin vor
dem „Palast der Eheschließungen“ in Moskau, denn wir haben dort
während einer Touristenreise geheiratet. Ich trage ein Kleid aus
türkisfarbenem chinesischen Brokat, das mir eine Schneiderin in Potsdam-Babelsberg
nach meiner Zeichnung angefertigt hat. Um die Knöpfe fachgerecht
anfertigen zu können, fuhr sie nach Westberlin und kaufte dort eine
Handarbeitszeitschrift.
Aus meinem Hochzeitskleid bin ich inzwischen „herausgewachsen“,
aber da es bisher weder den Töchtern noch Enkelinnen gepasst hat, hängt
es weiterhin in meinem Schrank. Ich konnte es sogar bei einigen meiner
Vorträge als Dekoration nutzen und freue mich immer, wenn es auch
anderen gefällt und mir so manche Einleitung auf das Thema erspart. Wenn
ich dann schon die ersten fragenden Blicke sehe, kann ich erzählen,
warum ich in Shanghai geboren wurde, in Moskau geheiratet und in
Nordkorea, ebenfalls auf einer Touristenreise, die Silberhochzeit
gefeiert habe, wovon es allerdings auch kein Foto gibt.
Yvonne Adler schickte mir neulich ein Hochzeitsfoto, was mich so faszinierte und weshalb mir nun noch unendlich viele andere Geschichten einfallen. Vielleicht erkennt jemand das Paar im Pedicab, auf dem Yvonne als etwa 4-jähriges Blumenmädchen steht. Sie kamen gerade aus der Synagoge und die Braut trägt ein weißes Kleid, das im Jahre 1944 aus Gardinenstoff genäht wurde. Die Gardinen stammten wahrscheinlich aus Deutschland und fanden wohl in Shanghai kaum jemals eine Verwendung. Der bis heute unbekannte Fotograf hat auch mehrere chinesische Kinder miteingefangen, so, wie wir sie immer noch vor unserem geistigen Auge haben - einfach großartig. Das Paar ist nach dem Krieg in die USA weitergewandert und hat sich in Portland, Oregon, niedergelassen.
David
Kranzler nutzt in seinem Buch „Japanese Nazis & Jews“ eine Statistik der
Jüdischen Gemeinde, die von 1939 bis 1946 insgesamt 366
Eheschließungen ausweist. Auch Illo und Ernest Heppner gehören dazu, die
im Jahre 1945 heirateten. Illo trägt zu ihrer Hochzeit ein wunderschönes
Kleid, das ihr eine bekannte Wiener Schneiderin aus den weißen
Gardinen nähte, die ihre Mutter noch vor der Ausreise nach Shanghai in
Berlin kaufte. Eine bessere Verwendung für dieses zarte Material konnte
man sich in dieser schweren Zeit gar nicht wünschen.
Ihre
farbige chinesische Eheurkunde ist ein wahres Prunkstück. Ich kann gut
verstehen, dass im Berliner Jüdischen Museum, das mindestens zwei
solcher herrlich gestalteter Urkunden aufbewahrt, von denen ‚mal die
eine oder andere ausgestellt wird, Besucher oft lange davor stehen
bleiben. Es gibt natürlich auch farblich schön gestaltete chinesische
Scheidungsurkunden.
So erfuhr ich aus einem Brief aus dem Jahre 1948 von Dr. Cäsar Erdensohn (1884 – 1971), an einen Herrn Obergerichtsrat in Deutschland, wie das Recht in Shanghai zu einer Zeit als auch wir dort als Flüchtlinge lebten, gehandhabt wurde.
Der aus Dortmund stammende Rechtsanwalt und Notar Cäsar Erdensohn war von 1941 bis zur Rückkehr nach Deutschland im Juli 1947 in Shanghai als Rechtsanwalt tätig, nachdem er genug Englisch und vor allen Dingen, Chinesisch gelernt hatte. So konnte er auch hin und wieder Zivilprozesse an den Shanghaier Gerichten führen, aber seine Haupttätigkeit bestand im Schließen und Scheiden von Ehen, schreibt er selbst und weiter:
„Wenn
man in China heiraten will, geht man nicht zum Standesbeamten – eine
derartige Behörde existiert dort nicht - , sondern zum Rechtsanwalt.
Dieser hat die Eheschließung in einem öffentlichen Lokal (Restaurant
oder Café) vorzunehmen und zwar in chinesischer Sprache. Eine in einem
Büro des Anwalts oder in der Wohnung der Brautleute vorgenommene Heirat
ist nichtig und wird als koncubinat betrachtet, ebenso die in
nichtchinesischer Sprache geschlossene Ehe. Aufgebot der Verlobten wird
nicht verlangt. Wie in Deutschland müssen in China mindestens 2 Zeugen
bei dem Heiratsakt mitwirken. Im Anschluß an die Eheschließung findet
dann die Speisung der Beteiligten und der übrigen hungrigen Gäste statt.
Natürlich wird auch der Rechtsanwalt immer zu dem Festessen eingeladen.
Bei den Chinesen dauert das Festmahl und der feuchtfröhliche Umtrunk
gewöhnlich 2 Tage und Nächte, bei den Weißen nur einige Stunden. –
Bei
beiderseitigem Verständnis kann die Ehe von einem Rechtsanwalt ohne
Mitwirkung des Gerichts geschieden werden. Die Eheleute haben lediglich
zu erklären: „Wir einigen uns dahin, dass unsere Ehe ab heute geschieden
sein soll“. Der Rechtsanwalt erklärt sodann die Ehe kraft des in Frage
kommenden Artikels des Chinese Code Civil für geschieden. In diesem
Falle wird nicht untersucht, wer der schuldige Teil ist. –
Falls
nur der eine Ehepartner die Scheidung begehrt, der andere dagegen an der
Ehe festhalten will, muß Klage beim chinesischen Gericht erhoben werden.
Der Prozessverlauf ist in diesem Falle derselbe wie in Europa. Es wird
streitig verhandelt und Beweis erhoben. In diesem Falle wird die
Schuldfrage geklärt und im Urteil ausgesprochen, wer der schuldige Teil
ist.
Die
Kinder werden in jedem Falle dem Vater zugesprochen. Sie bleiben auch
beim Vater, wenn dieser für allein schuldig an der Scheidung erklärt ist.
Ob Cäsar Erdensohn auch auf einem Foto, das eventuell bei einer Hochzeit oder nach einer Scheidung aufgenommen wurde, zu sehen ist, konnte ich leider nicht feststellen.
Wedding Photos:
Almost all
married couples own [their] marriage photograph.
Hanging on their wall, sometimes nicely framed and placed in a
selected spot or even placed in their wedding albums.
The couples appearing in early twentieth century pictures look so
serious as though they were holding their breaths.
My parents’ engagement picture, on the other hand, dated 1937,
shows them smiling. In
looking for possible family connections, they had sent that photograph
to Sir Richard Stafford Cripps, London, hoping to ask him for their
entrée into England.
The photo, however, was returned with the notation, “Sorry, we can’t
help.”
I do not
have a wedding photo of their 1938 ceremony.
Equally as
unfortunate, I don’t even have a photograph of my own wedding.
Instead, a color slide from which I recently had a hard copy
transfered onto paper.
It shows Peter and me, our sixteen year-old translator, Andrej,
and a witness, in front of Moscow’s Marriage Palace because we had
planned to marry during our [tourist] visit.
I am wearing a turques, Chinese brocade, custom-made dress that
was tailored for me from a drawing that I gave to a seamstress in
Potsdam-Babelsberg. In
order for her to copy my drawing of frog closures, she had to travel to
[then] West Berlin to buy a handicraft journal with directions.
Since I’ve
“outgrown” my wedding dress and
it doesn’t fit any of my daughters or grand daughters,
it remains hanging in my closet, used only sometimes as a
decorative stage prop that I use when giving lectures.
Following complements, it’s an easy segue to the introduction of
the ensuing lecture. I
respond to the quizzical glances at my attire
by relating why I was born in Shanghai, married in Moscow,
celebrated my silver wedding anniversary in North Korea (again as a
tourist and of which there is also a photographic void).
Yvonne Adler
(Los Angeles) recently sent me a photograph of a 1944
Shanghai wedding that so charmed me that that my memory was drawn
back to endless other tales.
Perhaps there is someone who can recognize the wedded couple in
that pedicab for whom Yvonne performed her duty as flower girl. They had
just left the synagogue [and were driving by Jewish Shanghai’s principle
nightclub, The White Horse]. The bride is wearing a white wedding gown
more than likely sewn from curtains she had no use of in her emigrant
niche, and brought with her from Germany.
The heretofore unknown photographer
also managed to capture my mind’s-eye memory of what Chinese
children used to look
like………….fabulous.
The unknown couple later settled in Portland, Oregon with a winter home
in Palm Springs, California.
David
Kranzler, in his book, “Japanese, Nazis and Jews,”
offers the statistical number of Shanghai, Jewish marriages
between 1939-1946 at 366.
Illo and Ernest Heppner belong to that number (1945).
She wore a beautiful [wedding] dress for her marriage,
refashioned by a well-known Viennese seamstress out of the white
curtains that the bride’s mother had bought shortly before their
immigration out of Berlin.
One couldn’t wish a better use of them in those hard times.
Illo’s colorful, Chinese marriage license is a
truly resplendent object.
It’s of little wonder that Berlin’s Jewish Museum shows either one or
the other of its holdings insofar as it elicits visitors’ lengthy
pauses. Having said that,
the Chinese divorce petitions are equally as resplendent.
I discovered
what the Shanghai civil statutes were that governed the European
community (and us emigrants) by being privy to the private
correspondence between Dr. Caesar Erdensohn (1884-1971) and a senior
legal counselor in Germany.
After Dr. Erdensohn’s had learned sufficient English and Chinese, this
Dortmund born attorney and notary was able to continue practicing his
legal profession until his return to Germany in 1947.
His principle focus, however, involved civil marriages and
marital dissolutions.
“When one wants to marry in China, one does not
visit a civil servant’s office-such a position is non-existent- rather,
one visits an attorney.
Said legal representative then has to officiate the ceremony in a public
restaurant (or café) and in the Chinese language.
Marriages privately conducted in either their attorney’s office
or in the couple’s home are worthless endeavors and legally viewed as
secondary, concubinary arrangements.
The same concept holds true for marriages conducted in a
non-Chinese language. The
couple does not need to previously publicize or produce banns of their
intention to marry.
And, as in Germany, at
least two witnesses to the event are necessary.
Related
to the conclusion of the wedding ceremony is the subsequent culinary
feast of both the direct participants and all other hungry guests to the
event. In the Chinese
version, that alcohol-infused haze typically lasts two days and nights.
For whites, alas, only a few hours.
If, on
the other hand, a mutually agreed upon marital dissolution is requested,
it can be performed by an attorney outside of any court’s jurisdiction.
Each of the married couple has to declare that ‘We [each] agree
that, as of today, our [legal] union should be dissolved.’
The attorney then utilizes the appropriate article of the Chinese
Civil Code and declares that the marital union is dissolved. In this
instance, there is no requirement to place blame.
In the
case of a contested divorce, the matter has to be brought to the
attention of the courts and, as in Europe, the disputation requires
evidentiary declarations.
One of the married participants is then deemed at fault and a
judgment of guilt is declared.
In any case, children are handed to the father, whether or not he
is judged as the guilty party or not.”
I am not, unfortunately, not able to ascertain
whether Caesar Erdensohn was ever possibly photographically captured at
a wedding or a marital dissolution ceremony.
Sonja Mühlberger née Krips
(English Translation by
Yvonne Adler